Nun ist es also soweit. Unsere Hausarztpraxis im Ort hat nach langer erfolgloser Suche ohne einen Nachfolger angekündigt, dass sie Ende März aufhören.
Wir telefonieren uns schon die Finger wund, im Umkreis von 15-20 km ist keine Praxis gewillt, neue Patienten anzunehmen, nichtmal wenn ich den Privatversichertenjoker ziehe.
Das ist echt beschämend für die Versorgung hier auf dem Land. Was machen dann die ganzen älteren immobilen Menschen?
Legobauer (2010) und Pubertussi (2011) 🐈&🐈⬛ (2021)
Ich habe täglich diese teils wirklich verzweifelten Anrufer am Telefon. Im nächst größeren Städtchen hat im vergangenen Sommer ein MVZ eine alteingeführte Praxis übernommen, in kurzer Zeit zugrunde gewirtschaftet und schließt nun Ende des Quartals. Wir können aber nun mal nur einen Teil dieser Patienten auffangen, nämlich die, die hier in unserem Teilort wohnen. Uns ist klar, dass rund 3000 Patienten auf gerade 4 Praxen verteilt werden müssen, aber irgendwo ist eine natürliche Grenze. Ach ja, und wenn jemand mit dem Privatpatientenkärtle winkt - die werden genauso behandelt wie Kassenpatienten. Keine Vorzugsbehandlung.
Das ist ein echtes Dilemma. Ich finde es aber auch krass, wie schwer der Zugang zum Studium ist. In meiner Trainingsgruppe sind 2 Jugendliche, die Medizin studieren wollen. Der eine wiederholt gerade die Q1, weil ihm sein Schnitt zu niedrig war. Der andere macht dieses Jahr sein Abitur und will es mit der Landarztquote versuchen oder im Ausland studieren. Beide mit 1,x Schnitt. Aber das reicht offenbar nicht. Gleichzeitig fehlt es an Ärzte.
Also wenn ich noch einmal höre, dass das deutsche Gesundheitssystem ach so toll sein soll (und das britische z.b. so katastrophal), dann k... ich. Diese deutsche überhebliche Selbstwahrnehmung hat das Gesundheitssystem echt in die Pfanne geritten. Da gibt es auf der einen Seite immer mehr Fachärzte, es werden offenbar die meisten Hüften in Europa (gewinnbringend) operiert. Aber für eine sinnvolle breite Grundversorgung ist kein Geld da
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #3 Gleichzeitig fehlt es an Ärzte.
Wobei ja die absolute Anzahl an Ärzten insgesamt ja wohl gestiegen ist. Es gibt ja viel mehr Praxen. Die meisten sind halt lukrative Facharztpraxen und keine schlecht vergütete, arbeitsintensive Hausarztpraxen.
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #3 Gleichzeitig fehlt es an Ärzte.
Wobei ja die absolute Anzahl an Ärzten insgesamt ja wohl gestiegen ist. Es gibt ja viel mehr Praxen. Die meisten sind halt lukrative Facharztpraxen und keine schlecht vergütete, arbeitsintensive Hausarztpraxen.
Dann müsste man vielleicht mal bei der Vergütung der Hausärzte ansetzen.
Aber gibt es wirklich zu viele Fachärzte? Wenn ich da an die Threads denke, wie lange es teilweise dauert bis man einen Termin bekommt denke ich das eher nicht.
Zitat von advena im Beitrag #6[quote=MeineRasselbande|p57315] Die meisten sind halt lukrative Facharztpraxen und keine schlecht vergütete, arbeitsintensive Hausarztpraxen.
An diesem Satz ist viel Polemik und wenig Ahnung. Die Vergütung der Hausärzte ist in den letzten Jahren deutlich verbessert worden, während das Einkommen der Fachärzte tendenziell leicht absinkt. Die Ursachen liegen woanders.
Zitat von advena im Beitrag #6[quote=MeineRasselbande|p57315] Die meisten sind halt lukrative Facharztpraxen und keine schlecht vergütete, arbeitsintensive Hausarztpraxen.
An diesem Satz ist viel Polemik und wenig Ahnung. Die Vergütung der Hausärzte ist in den letzten Jahren deutlich verbessert worden, während das Einkommen der Fachärzte tendenziell leicht absinkt. Die Ursachen liegen woanders.
Das Zitat stammt allerdings nicht von mir! Das ist beim Zitieren etwas kaputt gegangen. Aber danke für die Info! Finde ich gut zu wissen.
Zitat von WandaLismus im Beitrag #1Nun ist es also soweit. Unsere Hausarztpraxis im Ort hat nach langer erfolgloser Suche ohne einen Nachfolger angekündigt, dass sie Ende März aufhören.
Wir telefonieren uns schon die Finger wund, im Umkreis von 15-20 km ist keine Praxis gewillt, neue Patienten anzunehmen, nichtmal wenn ich den Privatversichertenjoker ziehe.
Das ist echt beschämend für die Versorgung hier auf dem Land. Was machen dann die ganzen älteren immobilen Menschen?
Schlimm. Mein Hausarzt wird 60 nächsten Monat, wenn der aufhört wirds hier auch zappenduster.
Zitat von WandaLismus im Beitrag #1Nun ist es also soweit. Unsere Hausarztpraxis im Ort hat nach langer erfolgloser Suche ohne einen Nachfolger angekündigt, dass sie Ende März aufhören.
Wir telefonieren uns schon die Finger wund, im Umkreis von 15-20 km ist keine Praxis gewillt, neue Patienten anzunehmen, nichtmal wenn ich den Privatversichertenjoker ziehe.
Das ist echt beschämend für die Versorgung hier auf dem Land. Was machen dann die ganzen älteren immobilen Menschen?
Hast du doch im anderen Fred gelesen: ein Taxi nehmen *sarkasmusoff*
Zitat von WandaLismus im Beitrag #1Nun ist es also soweit. Unsere Hausarztpraxis im Ort hat nach langer erfolgloser Suche ohne einen Nachfolger angekündigt, dass sie Ende März aufhören.
Wir telefonieren uns schon die Finger wund, im Umkreis von 15-20 km ist keine Praxis gewillt, neue Patienten anzunehmen, nichtmal wenn ich den Privatversichertenjoker ziehe.
Das ist echt beschämend für die Versorgung hier auf dem Land. Was machen dann die ganzen älteren immobilen Menschen?
Ich bin so froh, dass wir im Ort ein Primärversorgungszentrum haben. Das wird so schnell nicht zusperren.
Aber auch hier gibts Gegenden, die ärztemäßig, sowohl Allgemeinmediziner als auch Fachärzte, unterversorgt sind.
Meine Tochter studiert Medizin, aber niedergelassene Ärztin zu werden, ist nicht ihr primäres Ziel. Das ist auch im Studium kein Thema.
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #3Das ist ein echtes Dilemma. Ich finde es aber auch krass, wie schwer der Zugang zum Studium ist. In meiner Trainingsgruppe sind 2 Jugendliche, die Medizin studieren wollen. Der eine wiederholt gerade die Q1, weil ihm sein Schnitt zu niedrig war. Der andere macht dieses Jahr sein Abitur und will es mit der Landarztquote versuchen oder im Ausland studieren. Beide mit 1,x Schnitt. Aber das reicht offenbar nicht. Gleichzeitig fehlt es an Ärzte.
Hier in BW gibt es auch das Landarztprogramm: Wenn du dich verpflichtest, nach dem Studium zehn Jahre als Landarzt zu arbeiten, darfst du auch mit schlechter als 1,x studieren. Nur nützt uns das aktuell halt nix, das Programm ist recht neu und die Absolventen brauchen einfach noch.
Legobauer (2010) und Pubertussi (2011) 🐈&🐈⬛ (2021)
Die letzte Arztpraxis im Dorf meiner Eltern hat irgendwann Ende der 80er dichtgemacht. Seitdem ist nie einer nachgekommen. Es wird einfach vorausgesetzt, dass die Leute in die zugehörige Stadt fahren können: für meine Eltern 10km, für andere im selben Einzugsgebiet bis zu 18km. Die nächsten Facharztpraxen sind mindestens doppelt so weit weg. Busse fahren 3 mal am Tag, plus Rufbusmöglichkeit alle 2 Stunden. Es funktioniert natürlich trotzdem irgendwie, weil fast alle ein Auto haben und wenn sie irgendwann nicht mehr können, Kinder oder Nachbarn einspringen. Ich denke, das wird noch viel mehr zunehmen.
One person's crazyness is another person's reality.
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #3Das ist ein echtes Dilemma. Ich finde es aber auch krass, wie schwer der Zugang zum Studium ist. In meiner Trainingsgruppe sind 2 Jugendliche, die Medizin studieren wollen. Der eine wiederholt gerade die Q1, weil ihm sein Schnitt zu niedrig war. Der andere macht dieses Jahr sein Abitur und will es mit der Landarztquote versuchen oder im Ausland studieren. Beide mit 1,x Schnitt. Aber das reicht offenbar nicht. Gleichzeitig fehlt es an Ärzte.
Mein Neffe studiert jetzt Bauingenieurswesen, weil er trotz Wartesemester und Rettungssanitäter kein Studienplatz als Arzt bekommen hat.
Zitat von Sturmauge im Beitrag #14Die letzte Arztpraxis im Dorf meiner Eltern hat irgendwann Ende der 80er dichtgemacht. Seitdem ist nie einer nachgekommen. Es wird einfach vorausgesetzt, dass die Leute in die zugehörige Stadt fahren können: für meine Eltern 10km, für andere im selben Einzugsgebiet bis zu 18km. Die nächsten Facharztpraxen sind mindestens doppelt so weit weg. Busse fahren 3 mal am Tag, plus Rufbusmöglichkeit alle 2 Stunden. Es funktioniert natürlich trotzdem irgendwie, weil fast alle ein Auto haben und wenn sie irgendwann nicht mehr können, Kinder oder Nachbarn einspringen. Ich denke, das wird noch viel mehr zunehmen.
Jetzt kommt ja der Teledoc, dann ist ja alles gut.
Aber gibt es wirklich zu viele Fachärzte? Wenn ich da an die Threads denke, wie lange es teilweise dauert bis man einen Termin bekommt denke ich das eher nicht.
Ich denke an meinen Geburtsort zurück. In meiner Kindheit gabs da 3 Ärzte und das waren Hausärzte, 3 Zahnärzte, 1 Augenarzt - das wars. War in Württemberg, ländliche Gegend, knapp 10.000 Einwohner. Mittlerweile gibts da neben den immer noch bestehenden 3 Hausarztpraxen nen Gyn, 1 HNO, 1 Orthopäde, 1 Hautarzt, 1 Internisten, 1 Kieferorthopäde, 1 Kinderarzt, 1 Psychiaterin, 3 Psychotherapeuten. Ausserdem mehrere Physiotherapeuten, in meiner Kindheit hießen die noch Krankengymnast und es gab genau 1 Praxis. Da ist also schon einiges dazugekommen. Der Ort ist allerdings auch um ca. 1500 Einwohner gewachsen.
Zitat von Sturmauge im Beitrag #14Die letzte Arztpraxis im Dorf meiner Eltern hat irgendwann Ende der 80er dichtgemacht. Seitdem ist nie einer nachgekommen. Es wird einfach vorausgesetzt, dass die Leute in die zugehörige Stadt fahren können: für meine Eltern 10km, für andere im selben Einzugsgebiet bis zu 18km. Die nächsten Facharztpraxen sind mindestens doppelt so weit weg. Busse fahren 3 mal am Tag, plus Rufbusmöglichkeit alle 2 Stunden. Es funktioniert natürlich trotzdem irgendwie, weil fast alle ein Auto haben und wenn sie irgendwann nicht mehr können, Kinder oder Nachbarn einspringen. Ich denke, das wird noch viel mehr zunehmen.
10-18 km ist zwar für viele ältere Menschen schwierig. Aber an sich noch eine vertretbare Reichweite.
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #7 Dann müsste man vielleicht mal bei der Vergütung der Hausärzte ansetzen.
Ich glaube es ist nicht einmal die Vergütung, sondern der Druck, wenn die Patienten so andrängen. Die Zeit, die für Bürokratie aufgewendet werden muss, das unternehmerische Risiko, etc.
Bei uns gibt es mittlerweile schon einige Primärversorgungszentren. Das sind eigene Unternehmen, die Ärzte sind entweder Partner oder angestellt. Die angestellten Ärzte können auch Teilzeit arbeiten, haben ihre fixen Arbeitszeiten und müssen sich nicht um Bürokratie kümmern. Hier gilt das als Zukunftsmodell.
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #7 Dann müsste man vielleicht mal bei der Vergütung der Hausärzte ansetzen.
Ich glaube es ist nicht einmal die Vergütung, sondern der Druck, wenn die Patienten so andrängen. Die Zeit, die für Bürokratie aufgewendet werden muss, das unternehmerische Risiko, etc.
Bei uns gibt es mittlerweile schon einige Primärversorgungszentren. Das sind eigene Unternehmen, die Ärzte sind entweder Partner oder angestellt. Die angestellten Ärzte können auch Teilzeit arbeiten, haben ihre fixen Arbeitszeiten und müssen sich nicht um Bürokratie kümmern. Hier gilt das als Zukunftsmodell.
Der hiesige steht heute groß in der Zeitung. (Also der Aufhörende) Er sagte auch, dass er den Schritt einfach JETZT tun musste (ok, er ist 66, seine Frau aber erst 61), denn es kämen die ganzen Sachen, die er ohne Aussicht auf Nachfolger so nicht mehr stemmen kann und will. E-Rezept, Digitalisierung etc. Und da kann ich ihn durchaus verstehen. Da reden wir von fünfstelligen Beträgen und dann weißt du genau, dass du damit ein Jahr herausschindest, aber danach doch keiner kommt.
Legobauer (2010) und Pubertussi (2011) 🐈&🐈⬛ (2021)
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #18 10-18 km ist zwar für viele ältere Menschen schwierig. Aber an sich noch eine vertretbare Reichweite.
Schrieb ich ja: Weil das schon so lange so ist und generell alles an Besorgungen (Einkaufen, Apotheke, Post...) mit dem Auto erledigt werden muss, ist das da selbstverständlich und es denkt einfach gar niemand drüber nach, ob das so sein muss. Das wird aber zunehmen und auch in Gemeinden wie der von Wanda ankommen, die eben nicht darauf eingestellt sind, weil es bisher anders war.
One person's crazyness is another person's reality.
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #3 Gleichzeitig fehlt es an Ärzte.
Wobei ja die absolute Anzahl an Ärzten insgesamt ja wohl gestiegen ist. Es gibt ja viel mehr Praxen. Die meisten sind halt lukrative Facharztpraxen und keine schlecht vergütete, arbeitsintensive Hausarztpraxen.
Dann müsste man vielleicht mal bei der Vergütung der Hausärzte ansetzen.
Aber gibt es wirklich zu viele Fachärzte? Wenn ich da an die Threads denke, wie lange es teilweise dauert bis man einen Termin bekommt denke ich das eher nicht.
Also zumindest bei den Augenärzten, Hautärzten und Zahnärzten stimmt das schon mal nicht....
Zitat von MeineRasselbande im Beitrag #7 Dann müsste man vielleicht mal bei der Vergütung der Hausärzte ansetzen.
Ich glaube es ist nicht einmal die Vergütung, sondern der Druck, wenn die Patienten so andrängen. Die Zeit, die für Bürokratie aufgewendet werden muss, das unternehmerische Risiko, etc.
Bei uns gibt es mittlerweile schon einige Primärversorgungszentren. Das sind eigene Unternehmen, die Ärzte sind entweder Partner oder angestellt. Die angestellten Ärzte können auch Teilzeit arbeiten, haben ihre fixen Arbeitszeiten und müssen sich nicht um Bürokratie kümmern. Hier gilt das als Zukunftsmodell.
Sowas würde ich mir für D auch wünschen, aber ich glaub die Ständevertretungen der Ärzte blockieren das. Ich würde mir sowas wie ambulante "Kliniken" wünschen. Man geht zu einem "Primärarzt" hin, der guckt erstmal und schickt einen ggf. zum Kollegen 3 Türen weiter. So dass das gebündelt in einem Haus ist unter gemeinsamer Verwaltung, so dass Hausarzt und die wichtigsten Fachärzte Hand in Hand arbeiten.
Das ist in Frankreich leider genauso. Die Hausärzte nehmen keine neuen Patienten mehr. Mein Arzt ist etwa so alt wie ich, der macht schon noch ein paar Jahre, aber was danach????
Aber gibt es wirklich zu viele Fachärzte? Wenn ich da an die Threads denke, wie lange es teilweise dauert bis man einen Termin bekommt denke ich das eher nicht.
Ich denke an meinen Geburtsort zurück. In meiner Kindheit gabs da 3 Ärzte und das waren Hausärzte, 3 Zahnärzte, 1 Augenarzt - das wars. War in Württemberg, ländliche Gegend, knapp 10.000 Einwohner. Mittlerweile gibts da neben den immer noch bestehenden 3 Hausarztpraxen nen Gyn, 1 HNO, 1 Orthopäde, 1 Hautarzt, 1 Internisten, 1 Kieferorthopäde, 1 Kinderarzt, 1 Psychiaterin, 3 Psychotherapeuten. Ausserdem mehrere Physiotherapeuten, in meiner Kindheit hießen die noch Krankengymnast und es gab genau 1 Praxis. Da ist also schon einiges dazugekommen. Der Ort ist allerdings auch um ca. 1500 Einwohner gewachsen.
Es sind nicht nur mehr Menschen. Sie werden auch älter und der Bedarf wird höher. Und psychische Erkrankungen gab es zwar schon immer, aber wie gut war früher die Behandlung? Und auch jetzt dauert es doch oftmals ewig, bevor man einen Termin bekommt.
ErE Reloaded
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28.01.2022 07:46
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