Du wirst lachen: genau das dachte ich beim Lesen. Entweder ist es mir das wert, oder nicht.
Zitat von Mamma.Mia im Beitrag #27 Im Endeffekt müsstest Du ja keinen Garten haben oder im Garten keinen Kompost. Wenn man nur weit genug zurückgeht, ist man an sehr vielem irgendwie selbst schuld.
Zitat von Uschi Blum im Beitrag #24„Selbst schuld“ ist übrigens so ein Spruch, den ich weder denke, noch sage. Das kommt mir so selbstgefällig rüber. Vielleicht macht es das auch einfacher. Also irgendwie fällt dadurch der Punkt des Sich-darüber-Aufregen weg.
Empfinde ich auch so. Das ist eine sehr starke Abgrenzung und sich selbst aus der Verantwortung nehmen.
Ich bin halt großteils nicht für das Leben (und Leiden) anderer verantwortlich.
Stimmt. Sagst du denn „Selber schuld“ zu dir oder anderen?
Uschilinde Ischia Gurrigitti Abbalina Toffine Huhn von Blum
Wenn Leute immer wieder mit den selben Themen kommen wird mein Mitleid und Verständnis auch weniger. Besonders wenn sie selbst das ändern können.
Zitat von peacelike im Beitrag #1Laut meiner Mutter bin ich so rational, dass es kaum auszuhalten ist. Insofern: seid ihr hier anders?
Es fällt mir schwer, ehrlich mitleidig zu sein, wenn Menschen die gleichen Fehler immer wieder machen oder sich nicht helfen lassen.
Beispiel: Meine Mutter verweigert, dass ich Getränke bestelle (Grund: unklar), hat aber Rückenschmerzen, wenn sie sie im Supermarkt kauft und die Treppe hochschleppt. Ich wohne 500 km entfernt, mehr Hilfe als Bestellung kann ich nicht anbieten.
Beispiel: Mein Mann arbeitet jede Woche mindestens einen Abend bis Mitternacht, schläft dann schlecht, hat am nächsten Morgen Kopfschmerzen, sagt Termine ab und kriegt dann den ganzen Tag nichts hin. Völlig unproduktiv.
Ich kann da nicht mehr ernsthaft Bedauern über Unwohlsein äußern - auch, wenn mir Rücken- oder Kopfschmerzen leid tun, ist es ja ein "Leiden nach Ansage".
Ich halte mich eigendlich für empathisch, aber vielleicht bin ich das nicht. Ihr?
Ich muss sagen, ich tu mir ganz schwer mit Mitleid bei vielen Dingen. Wenn eine Bekannte von mir zum x. Mal darüber jammert, dass ihr Mann fremd geht und sie trotzdem bei ihm bleibt. Wenn meine Putzfrau jammert, dass sie kein Geld hat, und dabei nur 10 Stunden in der Woche arbeitet. Tja, eigentlich sagt einem das der gesunde Menschenverstand, dass man da keine Millionen verdient. Ich kann Jammern ganz allgemein schlecht ab. Bin selber kein Jammertyp.
Zitat von peacelike im Beitrag #1Laut meiner Mutter bin ich so rational, dass es kaum auszuhalten ist. Insofern: seid ihr hier anders?
Es fällt mir schwer, ehrlich mitleidig zu sein, wenn Menschen die gleichen Fehler immer wieder machen oder sich nicht helfen lassen.
Beispiel: Meine Mutter verweigert, dass ich Getränke bestelle (Grund: unklar), hat aber Rückenschmerzen, wenn sie sie im Supermarkt kauft und die Treppe hochschleppt. Ich wohne 500 km entfernt, mehr Hilfe als Bestellung kann ich nicht anbieten.
Beispiel: Mein Mann arbeitet jede Woche mindestens einen Abend bis Mitternacht, schläft dann schlecht, hat am nächsten Morgen Kopfschmerzen, sagt Termine ab und kriegt dann den ganzen Tag nichts hin. Völlig unproduktiv.
Ich kann da nicht mehr ernsthaft Bedauern über Unwohlsein äußern - auch, wenn mir Rücken- oder Kopfschmerzen leid tun, ist es ja ein "Leiden nach Ansage".
Ich halte mich eigendlich für empathisch, aber vielleicht bin ich das nicht. Ihr?
Bei so simplen Fällen wie den von Dir genannten Beispielen habe ich genau null Mitleid. Für den Mann sogar negatives (weil ich der Mutter ihr Alter und den damit oft einhergehenden Altersstarrsinn zugute halte). Ich halte es sogar für kontraproduktiv, da Bedauern über das Leiden zu äußern. Verbesserungsvorschläge verkneife ich mir aber meist auch, weil derjenige die ja auch offensichtlich nicht haben will. (Bei Deiner Mutter hätte ich wie Du anfangs angeboten, das durch Bestellung zu lösen.)
Bei komplexeren Problemen tue ich mir dagegen deutlich schwerer eine Haltung zu finden. Denn fremde Probleme finde ich oft leicht zu lösen. Es ist aber aus der Logik des Leidenden nachvollziehbar, warum er leidet und da halt nicht rauskommt. Mit manchen meiner Probleme geht es mir ähnlich. Die hätte jemand, der etwas anders gestrickt ist als ich, auch gar nicht erst. Je nachdem, wie ich zu dem Leidenden stehe, bin ich höchst verständnisvoll, bedauere, tröste, tue was ich kann zu dessen Entlastung. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob das immer richtig ist. Manchmal ist es langfristig für den Leidenden ja auch besser, wenn er sich mal zusammenreißen muss. Oder wenn sich seine Situation so stark zuspitzt, dass er endlich bereit ist, Hilfe anzunehmen.
Ich finde beide Fälle überhaupt nicht simpel.
Wieso?
Ich finde für das Verhalten beider Personen durchaus nachvollziehbare Gründe - das bedeutet dann aber, dass sie die negativen Folgen durchaus bewusst in Kauf nehmen, und damit erübrigt sich jammern aus meiner Sicht (mit Jammern meine ich "anhaltendes Klagen über xyz", nicht mal kurz zu sagen, heut tut mir der Rücken wieder weh, weil ich gestern ...). Also, die Mutter will sich beweisen, dass sie die Getränke noch selber hochschaffen kann. Völlig ok. Der Mann ist so im Flow, dass er nicht abbrechen mag mit der Arbeit. Auch ok, dann kalkuliert er den unproduktiven Tag halt ebenso ein wie die Mutter die Rückenschmerzen.
Ist ja bei mir selbst auch so: Wenn ich stundenlang im Garten arbeite, weiß ich vorher, dass mir der Rücken etc. hinterher wehtut. Ist aber ok, muss ja gemacht werden und ich hab nur da die Zeit. Dann sag ich zwar aua, aber ich beschwere mich nicht beim Mann, dass mir der Rücken so wehtut. War ja meine eigene Entscheidung.
Komische Denkweise. Nur weil zwangsläufig Verhalten A Ergebnis B nach sich zieht, darf ich mich darüber jammern? Auch wenn Ergebnis B unangenehm ist? Ich bekomme regelmäßig nach dem Essen Schmerzen. Soll ich das etwa gänzlich abschaffen? Oder reicht es, wenn ich nicht jammere?
Zitat von Uschi Blum im Beitrag #24„Selbst schuld“ ist übrigens so ein Spruch, den ich weder denke, noch sage. Das kommt mir so selbstgefällig rüber. Vielleicht macht es das auch einfacher. Also irgendwie fällt dadurch der Punkt des Sich-darüber-Aufregen weg.
Empfinde ich auch so. Das ist eine sehr starke Abgrenzung und sich selbst aus der Verantwortung nehmen.
Ich bin halt großteils nicht für das Leben (und Leiden) anderer verantwortlich.
Stimmt. Sagst du denn „Selber schuld“ zu dir oder anderen?
Sagen nicht, denken manchmal.
Mamma.Mia mit Sportler, Diplomatin (1999) und Forscherin (2002)
Zitat von Sascha im Beitrag #2 Ich kann das total von einander trennen. Die können mir leid tun, und ich kann trotzdem selber schuld sagen.
Das kommt so ein bisschen drauf an, wie malad das Gegenüber ist. Der Freund meines Mannes hat ein bisschen midlife crisis und ihn überredet, mal wieder die Stätten der Jugend zu touren. Um halb fünf wankte mein Gemahl also aus dem hippen Techno Schuppen heim und fiel am nächsten Tag gegen halb 12 mit einem Kater aus dem Bett (er hatte wagemutige 3 Bier). Er hat mir schon ein bisschen leid getan und war ganz klar selber schuld, aber ich hab's mir verkniffen, das laut zu sagen. Zwei Tage hab ich ausgehalten, dann musste der Satz aber raus
Ist ja bei mir selbst auch so: Wenn ich stundenlang im Garten arbeite, weiß ich vorher, dass mir der Rücken etc. hinterher wehtut. Ist aber ok, muss ja gemacht werden und ich hab nur da die Zeit. Dann sag ich zwar aua, aber ich beschwere mich nicht beim Mann, dass mir der Rücken so wehtut. War ja meine eigene Entscheidung.
Ich sage dann schon: "Boah, mir tut der Rücken weh von der Gartenarbeit." So, was hört mein Mann jetzt? Eine Aufforderung, dass er es hätte machen sollen? (Manchmal, aber nicht immer. Das Thema haben wir durch, dass eine Zustandsbeschreibung nicht gleichbedeutend mit einem Vorwurf ist.) Hat es Auswirkungen, dass ich heute Sachen nicht machen kann für uns beide, die ich hätte machen sollen? (Dann ist er mit im Boot und muss meine Überlastung mit ausbaden. Dann hilft eine zukunftsgerichtet Diskussion: Wie bekommen wir heute die Kuh vom Eis?) Eine Aufforderung, mein Rückenleiden zu lindern? (Von ihm kommt dann immer: Soll ich dich eincremen? Kann ich dir was gutes für deinen Rücken tun? Was kann ich dir heute abnehmen?) Den für ihn wichtigen Hinweis: "Mann, ich bin nicht gut drauf. Bitte heute etwas nachsichtiger mit mir sein. Spreche heute wenn es geht keine schwierigen Themen an."? oder einfach nur eine Zustandsbeschreibung, dich halt mit ihm teile wie die Mitteilung, dass die Sonne scheint oder mir die neue Kaffeesorten nicht schmeckt.
Dass ich den Garten gemacht habe, da steckt ja wahrscheinlich mehr dahinter. Ich habe ein bestimmtes Bild, wie der Garten aussehen soll. Das ist mir wichtiger als mein Rücken. Ich will es noch können. Das ist mir wichtiger als die Schmerzen, von denen ich jedesmal aufs neue hoffe, dass sie nicht ganz so schlimm werden. Ich will es nicht in andere Hände geben, weil ich selber verantwortlich für das Endergebnis sein will. Ich will es nicht in andere Hände geben, weil ich während der Arbeit Entscheidungen treffe, wie es aussehen soll. Ich kann und will aber nicht neben jemandem stehen, um demjenigen genaue Anweisungen geben. Jede leichte Lösung "Ja, dann mache es halt nicht oder lasse es jemand anders machen." ist für die anderen leicht. Für mich nicht.
Bei der Mutter kann man sagen (also jetzt nicht wortwörtlich) "Hm, dein Wunsch wäre, dass du danach keine Rückenschmerzen hast, richtig?" "Ja, das wäre schön." "Hm, das ist aber zur Zeit nicht der Fall. Was wäre denn das zweitschönste?" "Dass du mir beim Einkaufen hilfst." "Ah, okay." Jetzt geht es je nachdem weiter, wo man wohnt. Weit weg "Ja, das wäre schön. Das geht ja nun aber leider nur, wenn ich bei Euch zu Besuch bin. Blöd das." Da muss ich gar nicht darauf eingehen, dass ich weit weg gezogen bin und somit "schuld" an der Entfernung. Das ist ja eh klar. Vielleicht reicht das schon als Antwort auf : Kind, du bist so weit weg. Das macht mein Leben gerade schwer: "Ja, meine Entscheidung hat dir Leid zugefügt."
Wenn ich nebendran wohne und aus Gründen halt nicht für diese Einkäufe zur Verfügung stehe, könnt es so aussehen: "Du gehst ja vormittags einkaufen." "Ja, so mache ich das seit ich denken kann." "Ich arbeite halt vormittags. So kommen wir nicht zusammen." "Ja, blöd, dass du da arbeiten musst. Andere nehmen sich für ihre Mütter frei." "Ja, das fände ich manchmal auch schön, wenn ich da flexibler wäre. Aber ich kann nicht alles haben. Insgesamt ist mein Job schon klasse. Könnten wir alle zwei Wochen nachmittags zusammen einkaufen gehen? Da kaufen wir dann alles Schwere." "So viel Platz habe ich in der Wohnung nicht." "Hm, das ist blöd. Da müsstest du wahrscheinlich dein altbewährtes System etwas ändern und umräumen." (oder was auch immer) und das einfach mal stehen lassen. Und im Laufe der Zeit kommt dann vielleicht mal "Du, ich habe mir überlegt. Also Umräumen will ich nicht. Aber ich habe da jetzt noch eine Ecke gefunden, wo ich noch was hinräumen könnte. Da könnte ich auf Vorrat einkaufen." (Und selber denkt man: Gott, die Wohnung ist doch eh schon so voll. Wo soll den diese Ecke sein? Aber egal, ein Anfang ist gemacht.)
Was auch helfen kann (nicht muss) "Hm, verstehe ich. Einfach so muss man einen Lieferdienst nicht beauftragen. Und die sollen das ja so machen, wie du es willst. Ich würde gern mit dir zusammen mit den Anbietern sprechen, damit du da deine ganzen Fragen anbringen kannst und nicht abgebügelt wirst. Wäre das okay?" Es signalisiert schon mal: Ich bin auf deiner Seite.
Zitat von Sascha im Beitrag #2 Ich kann das total von einander trennen. Die können mir leid tun, und ich kann trotzdem selber schuld sagen.
Das kommt so ein bisschen drauf an, wie malad das Gegenüber ist. Der Freund meines Mannes hat ein bisschen midlife crisis und ihn überredet, mal wieder die Stätten der Jugend zu touren. Um halb fünf wankte mein Gemahl also aus dem hippen Techno Schuppen heim und fiel am nächsten Tag gegen halb 12 mit einem Kater aus dem Bett (er hatte wagemutige 3 Bier). Er hat mir schon ein bisschen leid getan und war ganz klar selber schuld, aber ich hab's mir verkniffen, das laut zu sagen. Zwei Tage hab ich ausgehalten, dann musste der Satz aber raus
Das ist doch normales Leben und passt für mich nicht zu den Situationen im EP.
Zitat von Sascha im Beitrag #2 Ich kann das total von einander trennen. Die können mir leid tun, und ich kann trotzdem selber schuld sagen.
Das kommt so ein bisschen drauf an, wie malad das Gegenüber ist. Der Freund meines Mannes hat ein bisschen midlife crisis und ihn überredet, mal wieder die Stätten der Jugend zu touren. Um halb fünf wankte mein Gemahl also aus dem hippen Techno Schuppen heim und fiel am nächsten Tag gegen halb 12 mit einem Kater aus dem Bett (er hatte wagemutige 3 Bier). Er hat mir schon ein bisschen leid getan und war ganz klar selber schuld, aber ich hab's mir verkniffen, das laut zu sagen. Zwei Tage hab ich ausgehalten, dann musste der Satz aber raus
Das ist doch normales Leben und passt für mich nicht zu den Situationen im EP.
Vielleicht verstehe ich die Situationen im EP falsch, aber der rote Faden ist für mich Selbstverantwortung. Jeder Mensch, jeden Alters, trifft mal eine Entscheidung, die mehr langfristig negative als kurzfristig positive Konsequenzen hat. Wie die TE hält sich mein Mitleid in Grenzen, insb. wenn es sich wiederholt und man sich der negativen Konsequenzen mittlerweile echt bewusst ist. Die Rückenschmerzen nach dem Getränkekauf werden nicht magischerweise diese Woche nicht auftauchen, ebenfalls die Kopfschmerzen nach einer zu kurzen Nacht. In der Situation gab es einen benefit, warum eine ältere Frau lieber die Getränke schleppt (Andrea hat das ja schön aufgedröselt), oder jemand doch bis Mitternacht arbeitet, oder man wider besseren Wissens bis in die frühen Morgenstunden tanzen geht. Wir tun das alle mal. Ich glaube, alle haben darüber auch schonmal gejammert. Aber ich sehe nicht, warum ich das validieren sollte. Man trifft eine Entscheidung, die dieses und jenes bringt und dieses und jenes kostet. Das ist wie, du sagst, normales Leben für mich.
Man kann die TE unempathisch nennen - oder mich, ich sitze auf ihrer Bank. Mitleid habe ich halt authentisch nur bei Erfahrungen, die man schlecht kontrollieren kann. Altern gehört für mich nicht dazu, das ist irgendwie ... zu normal, finde ich. Ich kann nicht treffend ausdrücken, was ich meine.
Zitat von peacelike im Beitrag #1Laut meiner Mutter bin ich so rational, dass es kaum auszuhalten ist. Insofern: seid ihr hier anders?
Es fällt mir schwer, ehrlich mitleidig zu sein, wenn Menschen die gleichen Fehler immer wieder machen oder sich nicht helfen lassen.
Beispiel: Meine Mutter verweigert, dass ich Getränke bestelle (Grund: unklar), hat aber Rückenschmerzen, wenn sie sie im Supermarkt kauft und die Treppe hochschleppt. Ich wohne 500 km entfernt, mehr Hilfe als Bestellung kann ich nicht anbieten.
Beispiel: Mein Mann arbeitet jede Woche mindestens einen Abend bis Mitternacht, schläft dann schlecht, hat am nächsten Morgen Kopfschmerzen, sagt Termine ab und kriegt dann den ganzen Tag nichts hin. Völlig unproduktiv.
Ich kann da nicht mehr ernsthaft Bedauern über Unwohlsein äußern - auch, wenn mir Rücken- oder Kopfschmerzen leid tun, ist es ja ein "Leiden nach Ansage".
Ich halte mich eigendlich für empathisch, aber vielleicht bin ich das nicht. Ihr?
Bei so simplen Fällen wie den von Dir genannten Beispielen habe ich genau null Mitleid. Für den Mann sogar negatives (weil ich der Mutter ihr Alter und den damit oft einhergehenden Altersstarrsinn zugute halte). Ich halte es sogar für kontraproduktiv, da Bedauern über das Leiden zu äußern. Verbesserungsvorschläge verkneife ich mir aber meist auch, weil derjenige die ja auch offensichtlich nicht haben will. (Bei Deiner Mutter hätte ich wie Du anfangs angeboten, das durch Bestellung zu lösen.)
Bei komplexeren Problemen tue ich mir dagegen deutlich schwerer eine Haltung zu finden. Denn fremde Probleme finde ich oft leicht zu lösen. Es ist aber aus der Logik des Leidenden nachvollziehbar, warum er leidet und da halt nicht rauskommt. Mit manchen meiner Probleme geht es mir ähnlich. Die hätte jemand, der etwas anders gestrickt ist als ich, auch gar nicht erst. Je nachdem, wie ich zu dem Leidenden stehe, bin ich höchst verständnisvoll, bedauere, tröste, tue was ich kann zu dessen Entlastung. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob das immer richtig ist. Manchmal ist es langfristig für den Leidenden ja auch besser, wenn er sich mal zusammenreißen muss. Oder wenn sich seine Situation so stark zuspitzt, dass er endlich bereit ist, Hilfe anzunehmen.
Ich finde beide Fälle überhaupt nicht simpel.
Wieso?
Ich finde für das Verhalten beider Personen durchaus nachvollziehbare Gründe - das bedeutet dann aber, dass sie die negativen Folgen durchaus bewusst in Kauf nehmen, und damit erübrigt sich jammern aus meiner Sicht (mit Jammern meine ich "anhaltendes Klagen über xyz", nicht mal kurz zu sagen, heut tut mir der Rücken wieder weh, weil ich gestern ...). Also, die Mutter will sich beweisen, dass sie die Getränke noch selber hochschaffen kann. Völlig ok. Der Mann ist so im Flow, dass er nicht abbrechen mag mit der Arbeit. Auch ok, dann kalkuliert er den unproduktiven Tag halt ebenso ein wie die Mutter die Rückenschmerzen.
Ist ja bei mir selbst auch so: Wenn ich stundenlang im Garten arbeite, weiß ich vorher, dass mir der Rücken etc. hinterher wehtut. Ist aber ok, muss ja gemacht werden und ich hab nur da die Zeit. Dann sag ich zwar aua, aber ich beschwere mich nicht beim Mann, dass mir der Rücken so wehtut. War ja meine eigene Entscheidung.
Komische Denkweise. Nur weil zwangsläufig Verhalten A Ergebnis B nach sich zieht, darf ich mich darüber jammern? Auch wenn Ergebnis B unangenehm ist? Ich bekomme regelmäßig nach dem Essen Schmerzen. Soll ich das etwa gänzlich abschaffen? Oder reicht es, wenn ich nicht jammere?
Meine Trainingspartnerin und ich jammern uns immer gegenseitig voll und motivieren uns dann fürs nöchste Mal.
Boa, ich kann nicht meine Schuhe anziehen, ich hab so Muskelkater.
Ja, ich auch. Aber wir haben gekämpft. Wir haben den Berg bezwungen. Wir sind Tiere
Zitat von peacelike im Beitrag #1Laut meiner Mutter bin ich so rational, dass es kaum auszuhalten ist. Insofern: seid ihr hier anders?
Es fällt mir schwer, ehrlich mitleidig zu sein, wenn Menschen die gleichen Fehler immer wieder machen oder sich nicht helfen lassen.
Beispiel: Meine Mutter verweigert, dass ich Getränke bestelle (Grund: unklar), hat aber Rückenschmerzen, wenn sie sie im Supermarkt kauft und die Treppe hochschleppt. Ich wohne 500 km entfernt, mehr Hilfe als Bestellung kann ich nicht anbieten.
Beispiel: Mein Mann arbeitet jede Woche mindestens einen Abend bis Mitternacht, schläft dann schlecht, hat am nächsten Morgen Kopfschmerzen, sagt Termine ab und kriegt dann den ganzen Tag nichts hin. Völlig unproduktiv.
Ich kann da nicht mehr ernsthaft Bedauern über Unwohlsein äußern - auch, wenn mir Rücken- oder Kopfschmerzen leid tun, ist es ja ein "Leiden nach Ansage".
Ich halte mich eigendlich für empathisch, aber vielleicht bin ich das nicht. Ihr?
Mir wurde schon gessagt, "Du immer mit deinen Lösungen". Ich habe auf meine alten Tage gelernt, Leute auch mal jammern zu lassen. Die brauchen das dann halt und weiter wollen die auch oft gar nix. Denn von ernsthaftem Bedauern kommt der Kasten Bier ja nunmal auch nicht die Treppe hoch, das brächte also gar nix.
Bei so simplen Fällen wie den von Dir genannten Beispielen habe ich genau null Mitleid. Für den Mann sogar negatives (weil ich der Mutter ihr Alter und den damit oft einhergehenden Altersstarrsinn zugute halte). Ich halte es sogar für kontraproduktiv, da Bedauern über das Leiden zu äußern. Verbesserungsvorschläge verkneife ich mir aber meist auch, weil derjenige die ja auch offensichtlich nicht haben will. (Bei Deiner Mutter hätte ich wie Du anfangs angeboten, das durch Bestellung zu lösen.)
(...)
Meine Freundin hatte sowas mit einer alten Verwandten. Die kann nicht mehr gut einkaufen, und es soll sie immer einer fahren. Das geht aber nicht. Vermeintlich einfache Lösung: Lieferservice. Dagegen wurde sich aber mit recht schwammigen Äusserungen gesträubt, so dass es nie dazu kam. Irgendwann stellte sich heraus, dass so eine einfache Lebensmittellieferung aus Sicht der Empfängerin gar nicht so einfach war, da hing ein ganzer Schwanz Fragen dran. Was, wenn was fehlt, wie ist das mit Trinkgeld, da kommt ein fremder Mann rein, usw. - die hatte regelrecht Angst davor.
Bei so simplen Fällen wie den von Dir genannten Beispielen habe ich genau null Mitleid. Für den Mann sogar negatives (weil ich der Mutter ihr Alter und den damit oft einhergehenden Altersstarrsinn zugute halte). Ich halte es sogar für kontraproduktiv, da Bedauern über das Leiden zu äußern. Verbesserungsvorschläge verkneife ich mir aber meist auch, weil derjenige die ja auch offensichtlich nicht haben will. (Bei Deiner Mutter hätte ich wie Du anfangs angeboten, das durch Bestellung zu lösen.)
(...)
Meine Freundin hatte sowas mit einer alten Verwandten. Die kann nicht mehr gut einkaufen, und es soll sie immer einer fahren. Das geht aber nicht. Vermeintlich einfache Lösung: Lieferservice. Dagegen wurde sich aber mit recht schwammigen Äusserungen gesträubt, so dass es nie dazu kam. Irgendwann stellte sich heraus, dass so eine einfache Lebensmittellieferung aus Sicht der Empfängerin gar nicht so einfach war, da hing ein ganzer Schwanz Fragen dran. Was, wenn was fehlt, wie ist das mit Trinkgeld, da kommt ein fremder Mann rein, usw. - die hatte regelrecht Angst davor.
Und dann kommt hier noch dazu, dass die Lieferdienste gar keine Kapazitäten mehr haben.
Man kann die TE unempathisch nennen - oder mich, ich sitze auf ihrer Bank. Mitleid habe ich halt authentisch nur bei Erfahrungen, die man schlecht kontrollieren kann. Altern gehört für mich nicht dazu, das ist irgendwie ... zu normal, finde ich. Ich kann nicht treffend ausdrücken, was ich meine.
Es gibt keine Verpflichtung, Mitleid zu haben. Oder nur für bestimmte Konstellationen. Man hat es oder man hat es nicht.
Zitat von Sascha im Beitrag #2 Ich kann das total von einander trennen. Die können mir leid tun, und ich kann trotzdem selber schuld sagen.
Das kommt so ein bisschen drauf an, wie malad das Gegenüber ist. Der Freund meines Mannes hat ein bisschen midlife crisis und ihn überredet, mal wieder die Stätten der Jugend zu touren. Um halb fünf wankte mein Gemahl also aus dem hippen Techno Schuppen heim und fiel am nächsten Tag gegen halb 12 mit einem Kater aus dem Bett (er hatte wagemutige 3 Bier). Er hat mir schon ein bisschen leid getan und war ganz klar selber schuld, aber ich hab's mir verkniffen, das laut zu sagen. Zwei Tage hab ich ausgehalten, dann musste der Satz aber raus
Das ist doch normales Leben und passt für mich nicht zu den Situationen im EP.
Vielleicht verstehe ich die Situationen im EP falsch, aber der rote Faden ist für mich Selbstverantwortung. Jeder Mensch, jeden Alters, trifft mal eine Entscheidung, die mehr langfristig negative als kurzfristig positive Konsequenzen hat. Wie die TE hält sich mein Mitleid in Grenzen, insb. wenn es sich wiederholt und man sich der negativen Konsequenzen mittlerweile echt bewusst ist. Die Rückenschmerzen nach dem Getränkekauf werden nicht magischerweise diese Woche nicht auftauchen, ebenfalls die Kopfschmerzen nach einer zu kurzen Nacht. In der Situation gab es einen benefit, warum eine ältere Frau lieber die Getränke schleppt (Andrea hat das ja schön aufgedröselt), oder jemand doch bis Mitternacht arbeitet, oder man wider besseren Wissens bis in die frühen Morgenstunden tanzen geht. Wir tun das alle mal. Ich glaube, alle haben darüber auch schonmal gejammert. Aber ich sehe nicht, warum ich das validieren sollte. Man trifft eine Entscheidung, die dieses und jenes bringt und dieses und jenes kostet. Das ist wie, du sagst, normales Leben für mich.
Man kann die TE unempathisch nennen - oder mich, ich sitze auf ihrer Bank. Mitleid habe ich halt authentisch nur bei Erfahrungen, die man schlecht kontrollieren kann. Altern gehört für mich nicht dazu, das ist irgendwie ... zu normal, finde ich. Ich kann nicht treffend ausdrücken, was ich meine.
Ich finde die TE nicht unempathisch, allerdings beziehen sich ihre Beispiele auf dauerhaftes, wiederkehrendes Verhalten. Dein Mann ist hingegen, wenn ich das richtig verstanden habe, einmal feiern gewesen wie früher. Und hat die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass ab einem gewissen Alter die Rekonvaleszenz deutlich länger als der Spaß dauert. Ich habe da Mitleid
Zitat von peacelike im Beitrag #1Laut meiner Mutter bin ich so rational, dass es kaum auszuhalten ist. Insofern: seid ihr hier anders?
Es fällt mir schwer, ehrlich mitleidig zu sein, wenn Menschen die gleichen Fehler immer wieder machen oder sich nicht helfen lassen.
Beispiel: Meine Mutter verweigert, dass ich Getränke bestelle (Grund: unklar), hat aber Rückenschmerzen, wenn sie sie im Supermarkt kauft und die Treppe hochschleppt. Ich wohne 500 km entfernt, mehr Hilfe als Bestellung kann ich nicht anbieten.
Beispiel: Mein Mann arbeitet jede Woche mindestens einen Abend bis Mitternacht, schläft dann schlecht, hat am nächsten Morgen Kopfschmerzen, sagt Termine ab und kriegt dann den ganzen Tag nichts hin. Völlig unproduktiv.
Ich kann da nicht mehr ernsthaft Bedauern über Unwohlsein äußern - auch, wenn mir Rücken- oder Kopfschmerzen leid tun, ist es ja ein "Leiden nach Ansage".
Ich halte mich eigendlich für empathisch, aber vielleicht bin ich das nicht. Ihr?
Bei so simplen Fällen wie den von Dir genannten Beispielen habe ich genau null Mitleid. Für den Mann sogar negatives (weil ich der Mutter ihr Alter und den damit oft einhergehenden Altersstarrsinn zugute halte). Ich halte es sogar für kontraproduktiv, da Bedauern über das Leiden zu äußern. Verbesserungsvorschläge verkneife ich mir aber meist auch, weil derjenige die ja auch offensichtlich nicht haben will. (Bei Deiner Mutter hätte ich wie Du anfangs angeboten, das durch Bestellung zu lösen.)
Bei komplexeren Problemen tue ich mir dagegen deutlich schwerer eine Haltung zu finden. Denn fremde Probleme finde ich oft leicht zu lösen. Es ist aber aus der Logik des Leidenden nachvollziehbar, warum er leidet und da halt nicht rauskommt. Mit manchen meiner Probleme geht es mir ähnlich. Die hätte jemand, der etwas anders gestrickt ist als ich, auch gar nicht erst. Je nachdem, wie ich zu dem Leidenden stehe, bin ich höchst verständnisvoll, bedauere, tröste, tue was ich kann zu dessen Entlastung. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob das immer richtig ist. Manchmal ist es langfristig für den Leidenden ja auch besser, wenn er sich mal zusammenreißen muss. Oder wenn sich seine Situation so stark zuspitzt, dass er endlich bereit ist, Hilfe anzunehmen.
Ich finde beide Fälle überhaupt nicht simpel.
Wieso?
Ich finde für das Verhalten beider Personen durchaus nachvollziehbare Gründe - das bedeutet dann aber, dass sie die negativen Folgen durchaus bewusst in Kauf nehmen, und damit erübrigt sich jammern aus meiner Sicht (mit Jammern meine ich "anhaltendes Klagen über xyz", nicht mal kurz zu sagen, heut tut mir der Rücken wieder weh, weil ich gestern ...). Also, die Mutter will sich beweisen, dass sie die Getränke noch selber hochschaffen kann. Völlig ok. Der Mann ist so im Flow, dass er nicht abbrechen mag mit der Arbeit. Auch ok, dann kalkuliert er den unproduktiven Tag halt ebenso ein wie die Mutter die Rückenschmerzen.
Ist ja bei mir selbst auch so: Wenn ich stundenlang im Garten arbeite, weiß ich vorher, dass mir der Rücken etc. hinterher wehtut. Ist aber ok, muss ja gemacht werden und ich hab nur da die Zeit. Dann sag ich zwar aua, aber ich beschwere mich nicht beim Mann, dass mir der Rücken so wehtut. War ja meine eigene Entscheidung.
Komische Denkweise. Nur weil zwangsläufig Verhalten A Ergebnis B nach sich zieht, darf ich mich darüber jammern? Auch wenn Ergebnis B unangenehm ist? Ich bekomme regelmäßig nach dem Essen Schmerzen. Soll ich das etwa gänzlich abschaffen? Oder reicht es, wenn ich nicht jammere?
Meine Trainingspartnerin und ich jammern uns immer gegenseitig voll und motivieren uns dann fürs nöchste Mal.
Boa, ich kann nicht meine Schuhe anziehen, ich hab so Muskelkater.
Ja, ich auch. Aber wir haben gekämpft. Wir haben den Berg bezwungen. Wir sind Tiere
Oh yes, bis morgen.
Wir würden uns gut verstehen, könnten uns gegenseitig anjammern und in den Hintern treten.
Mamma.Mia mit Sportler, Diplomatin (1999) und Forscherin (2002)
Zitat von Sascha im Beitrag #2 Ich kann das total von einander trennen. Die können mir leid tun, und ich kann trotzdem selber schuld sagen.
Das kommt so ein bisschen drauf an, wie malad das Gegenüber ist. Der Freund meines Mannes hat ein bisschen midlife crisis und ihn überredet, mal wieder die Stätten der Jugend zu touren. Um halb fünf wankte mein Gemahl also aus dem hippen Techno Schuppen heim und fiel am nächsten Tag gegen halb 12 mit einem Kater aus dem Bett (er hatte wagemutige 3 Bier). Er hat mir schon ein bisschen leid getan und war ganz klar selber schuld, aber ich hab's mir verkniffen, das laut zu sagen. Zwei Tage hab ich ausgehalten, dann musste der Satz aber raus
Das ist doch normales Leben und passt für mich nicht zu den Situationen im EP.
Vielleicht verstehe ich die Situationen im EP falsch, aber der rote Faden ist für mich Selbstverantwortung. Jeder Mensch, jeden Alters, trifft mal eine Entscheidung, die mehr langfristig negative als kurzfristig positive Konsequenzen hat. Wie die TE hält sich mein Mitleid in Grenzen, insb. wenn es sich wiederholt und man sich der negativen Konsequenzen mittlerweile echt bewusst ist. Die Rückenschmerzen nach dem Getränkekauf werden nicht magischerweise diese Woche nicht auftauchen, ebenfalls die Kopfschmerzen nach einer zu kurzen Nacht. In der Situation gab es einen benefit, warum eine ältere Frau lieber die Getränke schleppt (Andrea hat das ja schön aufgedröselt), oder jemand doch bis Mitternacht arbeitet, oder man wider besseren Wissens bis in die frühen Morgenstunden tanzen geht. Wir tun das alle mal. Ich glaube, alle haben darüber auch schonmal gejammert. Aber ich sehe nicht, warum ich das validieren sollte. Man trifft eine Entscheidung, die dieses und jenes bringt und dieses und jenes kostet. Das ist wie, du sagst, normales Leben für mich.
Man kann die TE unempathisch nennen - oder mich, ich sitze auf ihrer Bank. Mitleid habe ich halt authentisch nur bei Erfahrungen, die man schlecht kontrollieren kann. Altern gehört für mich nicht dazu, das ist irgendwie ... zu normal, finde ich. Ich kann nicht treffend ausdrücken, was ich meine.
Altern ist nichts für Feiglinge. Da hängt so viel dran. Altern ist in vielen seiner Ausprägungen unkontrollierbar und auch unausweichlich.
Vieles an Dienstleistungen ist auch gar nicht (mehr) möglich in Deutschland. Es ist nicht so einfach einen Lieferdienst zu finden. Den gibt es nicht überall.
Da gleitet einer Frau langsam das selbständige Leben aus den Händen. Ja, damit kann man so oder so umgehen. Aber mit den seelischen Ressourcen ist es wie mit den körperlichen: Die sind halt nicht gleich verteilt.
Wenn ich ein reines Gewissen habe, dann können mir Vorwürfe - offen oder versteckt - nichts anhaben. Wenn ich Manipulationen durchschaue, dann bin ich doch oben auf und geschützt.
Und dann ist da die Frage: Will ich eine Lösung, damit es dir besser geht oder damit es mir besser geht, weil ich dann nicht mehr mit deinem Jammern umgehen muss? Wäre also für mich alles schick, wenn du nur nicht jammern würdest? Würde ich mir dann trotzdem Sorgen um dich und deinen Rücken machen? Würde ich dennoch fragen, wie es dir geht?
Zitat von peacelike im Beitrag #1Laut meiner Mutter bin ich so rational, dass es kaum auszuhalten ist. Insofern: seid ihr hier anders?
Es fällt mir schwer, ehrlich mitleidig zu sein, wenn Menschen die gleichen Fehler immer wieder machen oder sich nicht helfen lassen.
Beispiel: Meine Mutter verweigert, dass ich Getränke bestelle (Grund: unklar), hat aber Rückenschmerzen, wenn sie sie im Supermarkt kauft und die Treppe hochschleppt. Ich wohne 500 km entfernt, mehr Hilfe als Bestellung kann ich nicht anbieten.
Beispiel: Mein Mann arbeitet jede Woche mindestens einen Abend bis Mitternacht, schläft dann schlecht, hat am nächsten Morgen Kopfschmerzen, sagt Termine ab und kriegt dann den ganzen Tag nichts hin. Völlig unproduktiv.
Ich kann da nicht mehr ernsthaft Bedauern über Unwohlsein äußern - auch, wenn mir Rücken- oder Kopfschmerzen leid tun, ist es ja ein "Leiden nach Ansage".
Ich halte mich eigendlich für empathisch, aber vielleicht bin ich das nicht. Ihr?
Bei so simplen Fällen wie den von Dir genannten Beispielen habe ich genau null Mitleid. Für den Mann sogar negatives (weil ich der Mutter ihr Alter und den damit oft einhergehenden Altersstarrsinn zugute halte). Ich halte es sogar für kontraproduktiv, da Bedauern über das Leiden zu äußern. Verbesserungsvorschläge verkneife ich mir aber meist auch, weil derjenige die ja auch offensichtlich nicht haben will. (Bei Deiner Mutter hätte ich wie Du anfangs angeboten, das durch Bestellung zu lösen.)
Bei komplexeren Problemen tue ich mir dagegen deutlich schwerer eine Haltung zu finden. Denn fremde Probleme finde ich oft leicht zu lösen. Es ist aber aus der Logik des Leidenden nachvollziehbar, warum er leidet und da halt nicht rauskommt. Mit manchen meiner Probleme geht es mir ähnlich. Die hätte jemand, der etwas anders gestrickt ist als ich, auch gar nicht erst. Je nachdem, wie ich zu dem Leidenden stehe, bin ich höchst verständnisvoll, bedauere, tröste, tue was ich kann zu dessen Entlastung. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob das immer richtig ist. Manchmal ist es langfristig für den Leidenden ja auch besser, wenn er sich mal zusammenreißen muss. Oder wenn sich seine Situation so stark zuspitzt, dass er endlich bereit ist, Hilfe anzunehmen.
Ich finde beide Fälle überhaupt nicht simpel.
Wieso?
Ich finde für das Verhalten beider Personen durchaus nachvollziehbare Gründe - das bedeutet dann aber, dass sie die negativen Folgen durchaus bewusst in Kauf nehmen, und damit erübrigt sich jammern aus meiner Sicht (mit Jammern meine ich "anhaltendes Klagen über xyz", nicht mal kurz zu sagen, heut tut mir der Rücken wieder weh, weil ich gestern ...). Also, die Mutter will sich beweisen, dass sie die Getränke noch selber hochschaffen kann. Völlig ok. Der Mann ist so im Flow, dass er nicht abbrechen mag mit der Arbeit. Auch ok, dann kalkuliert er den unproduktiven Tag halt ebenso ein wie die Mutter die Rückenschmerzen.
Ist ja bei mir selbst auch so: Wenn ich stundenlang im Garten arbeite, weiß ich vorher, dass mir der Rücken etc. hinterher wehtut. Ist aber ok, muss ja gemacht werden und ich hab nur da die Zeit. Dann sag ich zwar aua, aber ich beschwere mich nicht beim Mann, dass mir der Rücken so wehtut. War ja meine eigene Entscheidung.
Komische Denkweise. Nur weil zwangsläufig Verhalten A Ergebnis B nach sich zieht, darf ich mich darüber jammern? Auch wenn Ergebnis B unangenehm ist? Ich bekomme regelmäßig nach dem Essen Schmerzen. Soll ich das etwa gänzlich abschaffen? Oder reicht es, wenn ich nicht jammere?
Meine Trainingspartnerin und ich jammern uns immer gegenseitig voll und motivieren uns dann fürs nöchste Mal.
Boa, ich kann nicht meine Schuhe anziehen, ich hab so Muskelkater.
Ja, ich auch. Aber wir haben gekämpft. Wir haben den Berg bezwungen. Wir sind Tiere
Oh yes, bis morgen.
Wir würden uns gut verstehen, könnten uns gegenseitig anjammern und in den Hintern treten.
Oh ja. Seit ich feste dates habe, gehe ich auch hin, wenn ich viel lieber auf der couch liegen würde
Zitat von peacelike im Beitrag #22Vielen Dank für Eure Impulse. Spannend, dass ihr besonders Verständnis für meine Mutter habt, da finde ich es noch absurder (wobei meine Mutter nicht jammert, aber sie leidet trotzdem). Meine Schwiegereltern haben einen SodaStream gekauft, das läuft bei mir auch unter produktiver Problemlösung. Aber egal, ihr habt schon Recht, vermutlich geht es ein Stück um Selbstbestimmung. Vielleicht geht es da beim Mann auch drum, keine Ahnung. Der Sohn bringt auch gerne nächtliche Arbeits-Aktionen, aber der würde am Morgen nie jammern, selbst wenn er kaum geradeaus gucken kann, mit dem Unvernünftig-Sein habe ich null Probleme, nur mit der von mir erwarteten Reaktion. (und "selbst schuld, ich kann aber Kaffee kochen" kommt immer ganz schlecht)
Zitat von Sascha im Beitrag #2 Ich kann das total von einander trennen. Die können mir leid tun, und ich kann trotzdem selber schuld sagen.
Das kommt so ein bisschen drauf an, wie malad das Gegenüber ist. Der Freund meines Mannes hat ein bisschen midlife crisis und ihn überredet, mal wieder die Stätten der Jugend zu touren. Um halb fünf wankte mein Gemahl also aus dem hippen Techno Schuppen heim und fiel am nächsten Tag gegen halb 12 mit einem Kater aus dem Bett (er hatte wagemutige 3 Bier). Er hat mir schon ein bisschen leid getan und war ganz klar selber schuld, aber ich hab's mir verkniffen, das laut zu sagen. Zwei Tage hab ich ausgehalten, dann musste der Satz aber raus
Zitat von kaba im Beitrag #73Ich bewundere Deine Selbstbeherrschung sehr.
Mit wäre schon am ersten Tag "Altwerden ist nichts für Weicheier" rausgerutscht. Vermutlich im Zusammenhang mit einer liebevoll gereichten Kopfschmerztablette.
Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.
Bei selbstgemachtem Leid bin ich auch nicht empathisch. Erwachsene sollten die Konsequenzen ihres Handelns bei den meisten Dingen abschätzen können. Wenn sie mich um Rat fragen, kann ich ggf. Lösungen vorschlagen, aber wenn sie diese nicht wollen, dann sollen sie halt weitermachen wie gehabt. Ja, wahrscheinlich bin auch (zu) rational.
ErE Reloaded
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23.04.2024 12:27
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und Forscherin (2002) 
